Im EINSVIER-Interview: Bauen für eine lebenswerte Stadt

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Die Bundesbauministerin, der ProPotsdam-Geschäftsführer und die Bereichsleiterin stehen auf einer Dachterrasse. Davor ist eine Baustelle mit Wohngebäuden zu sehen.

Im EINSVIER-Interview: Bauen für eine lebenswerte Stadt

Klara Geywitz kennt ihre Geburtsstadt wie ihre eigene Westentasche. Im Interview mit EINSVIER sagt die Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, was sie an Potsdam schätzt und was es hier noch braucht.

Frau Geywitz, was macht Potsdam zu einer lebens- und wohnenswerten Stadt?

Mit ihrem UNESCO-Welterbe aus einmaligen Schloss- und Parkanlagen zieht Potsdam Menschen aus aller Welt an. Gleichzeitig übt diese Stadt auch als Landeshauptstadt Brandenburgs eine starke Anziehungskraft aus. Potsdam hat daher in den vergangenen Jahrzehnten einen großen Zuzug gehabt, wie ihn Städte in dieser Größe selten erleben. Die vielen Parkanlagen, die Seenlandschaft, die kulturellen Angebote machen diese Stadt für viele Menschen attraktiv.

Allerdings sind Städte auf Dauer nur lebenswert, wenn sie eine breite soziale Mischung garantieren. Auch in Potsdam müssen wir auf die soziale Balance achten, damit sich Menschen mit unterschiedlichen Einkommen das Wohnen in unserer schönen Stadt leisten können.

Der ProPotsdam-Geschäftsführer erklärt der Bundesbauministerin einen Bebauungsplan.
Die Bundesbauministerin machte sich im Juli ein Bild vom Bauvorhaben der ProPotsdam in der Heinrich-Mann-Allee und ließ sich von Geschäftsführer Bert Nicke die Besonderheiten des neuen Wohnquartiers erklären.

Immer mehr Menschen verlegen ihren Lebensmittelpunkt nach Potsdam. Was muss getan werden, damit die Stadt lebenswert bleibt?

Gerade weil Potsdam so anziehend ist und viele Menschen hierher wollen, müssen bezahlbare Wohnungen, Kitas, Schulen, Alterswohnsitze, Studierendenwohnheime, Freizeiteinrichtungen und Einkaufsmöglichkeiten mitwachsen. Glücklicherweise sind bereits gute Entscheidungen getroffen worden. In Potsdam wurde viel in die Sanierung der Neubaugebiete investiert, die Genossenschaften haben beim Neubau eine große Rolle gespielt. Auch hat sich Potsdam im Gegensatz zu anderen Städten nie von seiner kommunalen Wohnungswirtschaft getrennt. Weiterhin müssen jetzt neben dem Wohnungsneubau alte Bestände saniert und bestehende Flächen verdichtet werden. Zersiedelte und versiegelte Städte sind nicht mehr zeitgemäß.

Darüber hinaus brauchen wir viel Stadtgrün. Parks und Flüsse sind die einzige Chance, die hohen Temperaturen angesichts der Klimakrise in den Ballungsräumen geringer zu halten. Sommer wie in diesem Jahr werden wir auch aus der Erfahrung der letzten Jahre öfter haben.

Bezahlbarer Wohnraum wird in der öffentlichen Debatte zum Teil heiß diskutiert. Wer ist dafür eigentlich verantwortlich?

Verantwortlich sind die Länder, aber der Bund unterstützt, unter anderem durch Investitionen. Bis zum Jahr 2026 sind insgesamt 14,5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau vorgesehen, davon 2 Milliarden Euro allein für das Jahr 2022. Unser Ziel ist es, insgesamt 100.000 Sozialwohnungen jedes Jahr zu bauen.

Um an dieser Stelle Rückenwind zu geben, habe ich im April das Bündnis bezahlbarer Wohnraum ins Leben gerufen. Beteiligt sind Vertreterinnen und Vertreter aus Ländern und Kommunen, aus der Bau- und Wohnungswirtschaft, von Mieterverbänden, Gewerkschaften, Wohnungsloseninitiativen, Kirchen und Umweltorganisationen.

Gemeinsam beraten wir darüber, wie die Förder- und Rahmenbedingungen verbessert werden können, um mehr bezahlbaren Wohnraum in Deutschland zu schaffen. Dazu zählen etwa die Beschleunigung von Baugenehmigungen, die Mobilisierung von Bauland sowie Impulse für Investitionen von Seiten der Vermieterinnen und Vermieter. Hier sind alle Beteiligten gefordert. Im Oktober findet der Bündnis-Tag im Bundeskanzleramt statt. Hier wollen wir unseren Maßnahmenkatalog vorstellen.

Auf einer Baustelle sind mehrere Gebäude, Baumaterialien und zwei Bauarbeiter zu sehen.
In der Heinrich-Mann-Allee entstehen in einem ersten 341 Wohnungen. Bereits ab März 2023 können voraussichtlich die ersten Mieter*innen einziehen.

Als eine mögliche (Teil)Lösung des Problems werden Instrumente wie der Mietendeckel ins Gespräch gebracht. Ist so etwas sinnvoll?

Ein Mietendeckel ist eine gute Nachricht für alle, die bereits eine Wohnung haben und eine schwierige Nachricht für all jene, die eine brauchen. Da natürlich gedeckelte Einnahmen für Vermieterinnen und Vermieter auch heißt, dass ihnen das Geld fehlt, um in Neubau und Modernisierung zu investieren. Deswegen müssen solche Instrumente gut abgewogen werden. Allerdings sind wir in Verhandlungen zum Thema Indexmieten, Mietpreisbremse und Kappungsgrenze, um Mieterinnen und Mieter besser zu schützen.

Krampnitz im Norden hat ein großes Potenzial.

Die Bundesbauministerin steht auf einer Baustelle vor einem eingerüsteten Gebäude.
Klara Geywitz, Bundesbauministerin

Neben diesen rechtlichen Anpassungen will ich konkrete Hilfen ermöglichen. So legen wir ein Programm für „Junges Wohnen“ auf, um Auszubildenden und Studierenden mehr Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Außerdem unterstützen wir neues genossenschaftliches Wohnen, das oftmals dauerhaft günstiger ist, sowie die klimaangepasste Sanierung von Infrastruktur wie Sportstätten, Schwimmbäder und Bibliotheken in den Quartieren und Kiezen, damit die Städte lebenswert bleiben.

Wohnungsunternehmen stehen beim Thema Neubau vor großen Herausforderungen, wie Klimafreundlichkeit, zukunftsorientiertes Bauen, steigende Preise bei Materialien und Energie. Wie kann man sie meistern?

Es gibt aktuell zwei zentrale Herausforderungen, die wir meistern müssen. Zum einen der russische Angriffskrieg auf die Ukraine mit seinen Auswirkungen auch auf die Bauwirtschaft und die Energieversorgung. Zum anderen ist das der Klimawandel. Bei diesen Krisen muss der gesellschaftliche Zusammenhalt im Fokus stehen.

Über alle stabilisierenden Maßnahmen hinaus müssen vor allem jene Menschen Unterstützung bekommen, die die Folgekosten nicht alleine bewältigen können. Als Bundesregierung haben wir daher bereits zwei Entlastungspakete auf den Weg gebracht, von denen viele Menschen etwas haben. Ein drittes haben wir bereits beschlossen. Mit diesem werden wir unter anderem einen zweiten Heizkostenzuschuss auszahlen und den Empfängerkreis beim Wohngeld erweitern.

Welcher Potsdamer Stadtteil hat bislang die größte Entwicklung hinter sich?

Wer vor 30 Jahren die Stadt verlassen hat und heute zurückkehrt, würde sie nicht wiedererkennen. Allein die Innenstadt rund um den Bahnhof mit dem neuen Landtagsgebäude, dem Museum Barberini und den angrenzenden Grünanlagen ebenso wie die neu entstandenen Wohnviertel etwa auf dem Bornstedter Feld haben das Gesicht der Stadt komplett verändert. Hier sind junge lebenswerte Quartiere entstanden, die viele Familien angezogen haben und die den Potsdamerinnen und Potsdamern gleichzeitig viel schön gestalteten öffentlichen Raum zur Verfügung stellen. Das ist eine positive Entwicklung. Gleichzeitig müssen weitere Wohnviertel entstehen, bei denen der Schwerpunkt auf bezahlbarem Wohnraum liegt.

Vor mehreren Gebäuden ist ein Baukran zu sehen.
Die ProPotsdam baut auf dem ehemaligen Tramdepot in der Heinrich-Mann-Allee ein neues Quartier, das vor allem mittels Geothermie beheizt werden soll.

Welcher Stadtteil hat aktuell das größte Potenzial?

Krampnitz im Norden hat ein großes Potenzial, ein eigener Stadtteil in einer schönen Lage mit Wohnungen für Menschen mit unterschiedlichen Einkommen und in vielfältigen Lebenssituationen zu werden. Mit ist es wichtig, dass dieser neue Stadtteil eine gute ÖPNV-Anbindung erhält und dass ausreichend Sozialwohnungen gebaut werden, damit gerade auch Menschen mit kleinen Einkommen dort ein neues Zuhause finden können.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

Interview Carsten Hagenau