Ein Zuhause für Potsdams jüdisches Leben
Viele Jahre wurde um die Neue Synagoge in Potsdam gerungen, doch das lange Warten hat sich gelohnt: In der Schloßstraße wurde ein beeindruckender Sakralbau geschaffen, der dank einiger architektonischer Besonderheiten hervorsticht. EINSVIER sprach mit Architekt Jost Haberland und Gerit Fischer, Technische Geschäftsführerin des Brandenburgischen Landesbetriebs für Liegenschaften und Bauen (BLB) und Bauherrin der Synagoge.
Der Entwurf für das Synagogenzentrum stammt vom Berliner Architekten Jost Haberland. Es sei schon immer sein Traum gewesen, ein sakrales Haus zu entwerfen, einen Raum für Andacht und Gebet mit Material, Licht und Proportion zu gestalten, sagt er.
Wie ein Stadtbalkon
Mittelpunkt der Synagoge ist der Gebetsraum im ersten Obergeschoss. Bereits von außen ist er sichtbar, denn Haberland lässt ihn rund einen Meter in den Straßenraum hineinragen – „wie ein Stadtbalkon“, sagt der Architekt. In dem sich über drei Etagen erstreckenden Raum befindet sich in der Mitte die Bima, das Lesepult. Drumherum sind Sitzbänke angeordnet. Eine Etage weiter oben ist die Frauenempore.
Vom Parkett, über die Wände, bis hin zur Inneneinrichtung: Der Raum wird von warmem Eichenholz dominiert. An der Decke ist ein wellenartig geschwungenes Metallgeflecht aus Bronze angebracht. Die Decke und die gleichsam geschwungenen Seitenwände samt dem hohen Bogenfenster ließen an das Bild eines Zeltes denken, so Haberland.
„Der Betrachter, der sich dabei an das Stiftszelt, dem ersten provisorischen Tempel des Judentums in der Wüste erinnert fühlt, liegt damit nicht ganz falsch.“
Ein deutliches Zeichen
Die Synagoge verfügt über einen Veranstaltungssaal, Gemeinde- und Büroräume, eine Bibliothek, Musik- und Kunsträume und eine Dachterrasse. Im Erdgeschoss, das öffentlich zugänglich ist, befinden sich ein Besuchercafé mit koscherer Küche und ein Vortragsraum. Das neue Zentrum wird zunächst von der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) als Treuhänderin betrieben und von den jüdischen Gemeinden Potsdams gemeinsam genutzt.
Haberlands Büro konnte die Synagoge bis ins Detail entwerfen. „Das ist im Alltag eines Architekten ziemlich selten“, sagt er. Im ursprünglichen Entwurf sei jüdische Symbolik sehr zurückhaltend verwendet worden. Nach der Überarbeitung ist nun an der sandfarbenen Ziegelfassade ein Davidstern angebracht. „Ich bin sehr glücklich, dass wir damit in Zeiten eines wieder aufflammenden Antisemitismus ein deutliches Zeichen setzen.“
Große Herausforderungen
Für den BLB sei der Bau des Synagogenzentrums zwar nicht das größte Vorhaben, jedoch in mehrfacher Hinsicht ein facettenreiches und politisch bedeutsames Projekt, sagt Gerit Fischer, Technische Geschäftsführerin des BLB. Der Landesbaubetrieb errichtete den Sakralbau im Auftrag des Landes Brandenburg, das den Bau zu 100 Prozent finanzierte. „Das allein ist schon bedeutsam“, betont Fischer.
Das Grundstück liegt im Sanierungsgebiet „Potsdamer Mitte“, sodass für den Neubau mit zeitgemäßer Fassade intensive Abstimmungen mit der Denkmalpflege der Stadt Potsdam erforderlich waren, sagt Fischer. Der zum Unternehmensverbund der ProPotsdam gehörende Sanierungsträger Potsdam hatte das Grundstück vor Übergabe an den BLB vorbereitet und das ehemalige Haus der Wasserwirtschaft zurückgebaut.
Während des Baus der Synagoge ist es aufgrund der Corona-Krise und erschwerend durch den Ukraine-Krieg zu Material- und Lieferproblemen gekommen. „Dank der engagierten Baufirmen wurde die Bauzeit nur um drei Monate verlängert“, erklärt Fischer.
Religiöse Besonderheiten
Das Gebäude, das rund 1,60 Meter im Grundwasser steht, wurde voll unterkellert. Im Untergeschoss befindet sich auch die Mikwe, das jüdische Ritualbad. Um ein religiöses Gebäude zu errichten, müsse man sich mit dieser Religion vertraut machen. „Dabei mussten wir die Erfahrung machen, dass die Vorgaben Interpretationen unterliegen“, sagt Fischer.
So sehe die Mikwe in jeder Synagoge anders aus und funktioniere auch anders. Eine Mikwe darf nur mit Wasser aus natürlichen Quellen betrieben werden. Die in Potsdam wird mit Regenwasser versorgt.
Eine weitere Besonderheit der Synagoge ist die Schabbat-Schaltung des Aufzuges. An Schabbat dürfen keine Schalter bedient werden. Der Fahrstuhl fahre daher an diesen Tagen, ohne dass Schalter betätigt werden müssen, jede Etage an – ähnlich wie ein Paternoster, erläutert Fischer.
Nach der Zerstörung der alten Synagoge am heutigen Platz der Einheit konnten jüdische Menschen in Potsdam und Brandenburg viele Jahre keinen Ort finden, an dem sie gebührend ihrem Glauben folgen konnten, sagt Fischer.
Mit dem Neubau erfülle das Land Brandenburg den Wunsch nach einem angemessenen Gotteshaus, jedoch im Bewusstsein, dass damit nichts ungeschehen gemacht werden könne. Die jüdischen Gemeinden in Potsdam können ihre Religion nun wieder gemeinsam in einem Haus leben.
TEXT SARAH STOFFERS