Aus der EINSVIER: Altes Depot, neues Zuhause

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Baustelle in der Heinrich-Mann-Allee

Altes Depot, neues Zuhause

In der Heinrich-Mann-Allee errichtet die ProPotsdam ein neues Stadtquartier, im ersten Bauabschnitt mit 341 Wohnungen. Vielen Potsdamer*innen ist das Gelände als altes Tramdepot bekannt. EINSVIER-Redakteurin Carolin Brüstel hat einen Blick zurück und einen in die Zukunft geworfen.

Meine erste eigene Wohnung in Potsdam fand ich in der Heinrich-Mann-Allee. Schon damals faszinierte mich diese kilometerlange Hauptverkehrsader. Wohl keine andere Adresse in der Stadt ist so gegensätzlich. Die Allee beginnt am belebten Leipziger Dreieck, führt entlang der Staatskanzlei, der Friedhöfe, vorbei am Humboldt-Gymnasium, teilt Waldstadt I und Waldstadt II und verabschiedet sich am Bahnhof Potsdam-Rehbrücke.

Neben den Friedhöfen, hinter dem Gymnasium, versteckt sich das derzeit größte Neubauprojekt der ProPotsdam. Hier entsteht ein Quartier in mehreren Bauabschnitten mit rund 750 Wohnungen. Im ersten Schritt werden 13 Gebäude mit 341 Wohnungen errichtet. Im April 2023 möchte die ProPotsdam die ersten Mieter*innen begrüßen, ein neuer Meilenstein in der langen Historie des Areals.

Exerzier- und Tennisplatz

Mehr über die wechselvolle Geschichte erzählt mir Catrin During, Projektleiterin bei der ProPotsdam und zuständig für die Erschließung des Geländes. „Ich finde es bei Bauprojekten ganz wichtig, zu wissen, was das für ein Ort ist, was in ihm steckt, wortwörtlich und im übertragenen Sinne“, sagt sie: „Das ist entscheidend, denn die Art der Vornutzung hat Einfluss auf die vorbereitenden Arbeiten, bevor man mit dem eigentlichen Bauen der Wohngebäude beginnen kann.“

Ganz am Anfang, schon zu Zeiten Friedrichs des Großen, war das Gelände ein riesiger Exerzierplatz. „Wir haben preußische Säbel im Erdreich gefunden“, berichtet mir Catrin During. Bis Ende der 1920er Jahre wurde das Areal militärisch genutzt.

ProPotsdam-Projektleiterin Catrin During auf der Baustelle in der Heinrich-Mann-Allee
ProPotsdam-Projektleiterin Catrin During ist für die Erschließung des Grundstücks verantwortlich.

1936 feierte man die Einweihung des Straßenbahndepots. Während des Zweiten Weltkrieges, so wird vermutet, standen hier Zwangsarbeiterbaracken der naheliegenden Arado-Werke. Heute erinnert nur noch der gleichnamige See an den einstigen Rüstungsbetrieb.

Das Tram-Depot wurde bis 2002 genutzt, danach erwarb es die ProPotsdam mit der Absicht, dort Wohnungen zu bauen. Auf der anderen Hälfte des Geländes hatte bis 2017 der Tennisclub Rot-Weiß seine Trainingsstätten. Nachdem dieser ein neues Domizil bezogen hatte, begann der Unternehmensverbund mit den Arbeiten auf dem Grundstück.

Stumme Zeitzeugen

Damit das Areal ein Wohnort, ein Zuhause werden kann, mussten die Hinterlassenschaften aus der Vergangenheit beseitigt werden. „Die auf dem Gelände befindlichen, mit Asbest verunreinigten Plattenbauten wurden zurückgebaut, mehrere Tonnen kontaminierter Gleisschotter entsorgt“, erläutert mir Catrin During. Darunter kamen weitere „Zeitzeugen“ zum Vorschein: alte Leitungen, unterirdische Bauten und Alltagsgegenstände wie Geschirr mit dem Logo der Arado-Werke sowie Feldflaschen. Nachdem das Areal freigeräumt worden war, kam die systematische Kampfmittelberäumung, ein aufwendiges Verfahren, das vier Blindgänger zu Tage förderte, die vor Ort entschärft wurden.

Im Mai 2021 legte die ProPotsdam den symbolischen Grundstein für den ersten Bauabschnitt. Doch mit dem Beginn des Hochbaus ist Catrin Durings Arbeit noch nicht beendet. Dass das Bauprojekt zu den größten der ProPotsdam gehört, verdeutlicht sie mir auch anschaulich an den umfassenden Erschließungsmaßnahmen: „Wir legen hier mehr als 5.000 Quadratmeter Fahrbahn und Straße an, zudem etwa 2.500 Quadratmeter Gehweg sowie einen neuen Spielplatz und unter der Erde entsteht ein komplett neues Leitungsnetz für Schmutz- und Trinkwasser, Fernwärme und Strom.“ Das ist so groß wie 20 beziehungsweise zehn Tennisplätze.

Die neuen Bewohner*innen werden unter anderem in der Johann-Jacob-Baeyer- und der Suse-Ahlgrimm-Straße zu Hause sein.

ProPotsdam-Projektleiter Steffen Konrad auf der Baustelle in der Heinrich-Mann-Allee
ProPotsdam-Projektleiter Steffen Konrad betreut den Hochbau für die 341 neuen Wohnungen.

Das passende Zuhause

Auch für Steffen Konrad, Projektleiter Hochbau bei der ProPotsdam, ist das Wohnensemble ein einmaliges Vorhaben: „Die Größe des Projektes erfordert viel Koordination zwischen allen Beteiligten. Mehr als 100 Bauleute arbeiten gleichzeitig, die Gewerke geben sich hier die Klinke in die Hand.“

Bei einem Gespräch auf der Baustelle führt er mich von Haus zu Haus und veranschaulicht mir die Dimensionen des neuen Quartiers: „Es gibt drei verschiedene Haustypen, zur Heinrich-Mann-Allee viergeschossige Riegelbauten, im Inneren Hofhäuser mit drei Etagen und dahinter Stadthäuser mit vier Geschossen.“ Zwischen den Häusern werden Gemeinschafts- und Spielflächen entstehen.

Die Wohnungen haben Größen von 1,5 bis 5 Zimmer, beziehungsweise 50 bis 105 Quadratmetern, bieten so für jeden Haushalt das passende Zuhause und sind alle schwellenlos begehbar. Außerdem entstehen 21 rollstuhlgerechte Wohnungen. „Jede Wohnung verfügt über eine Terrasse oder eine Loggia“, bemerkt Steffen Konrad, als wir über die neuen Wege spazieren.

Mit dem Neubauprojekt, das unter Einbindung von Landesfördermitteln finanziert wird, möchte die ProPotsdam ein weiteres Zeichen für sozialen und nachhaltigen Wohnungsbau setzen. Von den 341 Wohnungen werden 257 für Potsdamer*innen mit geringem und mittlerem Einkommen zur Verfügung stehen. Die Nettokaltmiete wird für die Wohnungen bei 5,50 Euro pro Quadratmeter mit einem WBS- und bei 7,00 Euro für WBSplus-Berechtigte liegen.

Potsdams erste Tiefen-Geothermie

Der Höhepunkt der Baustellenführung ist der Besuch einer Wohnung im obersten Geschoss. Als wir auf die Terrasse treten, staune ich über die Aussicht. Von hier oben reicht der Blick bis zum ehemaligen Landtag auf dem Brauhausberg. Steffen Konrad zeigt mir auf den Hof- und Stadthäusern die begrünten Dächer. Diese speichern Wasser, mindern Lärm und gleichen Temperaturunterschiede aus. Auf den Riegelbauten werden elf Photovoltaik-Anlagen installiert, die das Quartier künftig mit grünem Strom versorgen.

Apropos grün: Direkt neben dem 1. Bauabschnitt errichtet die Energie und Wasser Potsdam GmbH (EWP) die erste Anlage zur Tiefen-Geothermie in Potsdam. Bis voraussichtlich Sommer 2023 sollen die Bohrarbeiten andauern. Wenn die Bohrungen erfolgreich sind, soll das gesamte Quartier der ProPotsdam in der Heinrich-Mann-Allee mit grüner Erdwärme versorgt werden.

Als ich auf der Dachterrasse stehe, blicke ich in die Innenhöfe. Der Großteil der Wohnungen zeigt auf die innenliegenden Anlagen, wo später Kinder spielen und Nachbar*innen plaudern werden. Ich sehe vor meinem inneren Auge Jungen und Mädchen, die ihren Eltern auf Laufrädern davonfahren und höre aus den Fenstern: „Kommt nach Hause, Essen ist fertig.“

TEXT CAROLIN BRÜSTEL

Die Baustelle in der Heinrich-Mann-Allee

Auf der Baustelle in der Heinrich-Mann-Allee

Erklärt: Grüne Wärme aus der Tiefe

  • EINSVIER Infografik

    Grüne Wärme aus der Tiefe

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