Aus der EINSVIER: 300 Hektar buntes Leben

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Eine große Menschenmenge steht vor einer Bühne im Volkspark Potsdam. Im Vordergrund sitzen weitere zahlreiche Zuschauer auf der grünen Wiese.

300 Hektar buntes Leben

Nach jahrhundertelanger militärischer Nutzung ist das Bornstedter Feld heute Zuhause, Arbeitsort und Ausflugsziel. Kürzlich jährte sich der Start der Entwicklungsmaßnahme, die dem Stadtteil zur Blüte verhalf, zum 30. Mal. Die EINSVIER-Redakteur*innen Anja Rütenik und Torsten Bless haben bei einem Spaziergang Menschen aus dem Quartier getroffen.

Wir beginnen unseren Rundgang am Campus Jungfernsee an der Nedlitzer Straße. Dort wo einst die sogenannten Grauen Kasernen zu finden waren. Am gleichnamigen See haben sich in den vergangenen Jahren Einrichtungen und Unternehmen aus der IT-Branche angesiedelt, nebenan wurden Wohnhäuser
in idyllischer Lage errichtet.

Hier besuchen wir einen der bekanntesten Bewohner des Bornstedter Feldes, den ehemaligen Potsdamer Oberbürgermeister Jann Jakobs. Die Entwicklung des Nordens hat er bereits vor seiner Zeit als Stadtoberhaupt mit Interesse verfolgt: „1993 habe ich in Potsdam als Leiter des Jugendamtes angefangen, damals wohnte ich noch in Berlin-Spandau und bin immer über die ‚Nedlitzer‘ in die Innenstadt gependelt.“ Dass auf dem Kasernenareal ein lebendiges Wohnviertel entstehen sollte, faszinierte Jakobs.

Fantasie und Durchhaltevermögen

Diese militärische Fläche war riesig, der Aufwand für die Entsorgung der Altlasten enorm groß. „Man brauchte schon viel Fantasie, um sich vorstellen zu können, dass hier mal Menschen ein Zuhause finden sollten. Neben einer großen Vorstellungskraft mussten der Entwicklungsträger Bornstedter Feld und wir als Stadt zudem einen langen Atem haben. Stadtentwicklung braucht seine Zeit“, bemerkt Jakobs. Ab 1997 begleitete er die Verwandlung des „weiten Feldes“ als Sozialbeigeordneter, von 2002 bis 2018 als Oberbürgermeister.

„Es war wichtig und richtig, dass wir an dem Ursprungskonzept mit einem Mix aus Einfamilienhäusern, Geschosswohnungen und Gewerbe für den
Stadtteil festhielten. Am Anfang war es aufwendig, Projektpartner für die Bauprojekte zu finden, nicht jeder Investor teilte unsere Begeisterung für das Bornstedter Feld.“

 

Man brauchte schon viel Fantasie, um sich vorstellen zu können, dass hier mal Menschen ein Zuhause finden sollten.

Der ehemalige Oberbürgermeister Jann Jakobs mitten in der grünen Natur.
Jann Jakobs, Anwohner und ehemaliger Oberbürgermeister Potsdams

Daher haben der Entwicklungsträger und auch die ProPotsdam zahlreiche Vorhaben übernommen. Doch der Aufwand hat sich gelohnt, findet Jakobs, der kurz nach seiner Wahl samt Familie an den Rand des Bornstedter Feldes, zur Miete in die russische Kolonie Alexandrowka, zog. Als die Kinder aus dem Haus waren, bemerkt er, stand das große Haus mit dem noch größeren Garten auf dem Prüfstand.

Zurück nach Spandau wollten er und seine Frau nicht: „Wir wollten hier bleiben.“ Aufmerksame Potsdamer*innen können Jakobs regelmäßig auf dem Fahrrad im Stadtteil entdecken. Wenn die Enkel da sind, das sei klar, treffe man ihn im Volkspark. „Der Park wird von Anwohnern, Potsdamern aus anderen Stadtteilen und Berlinern besucht. Das macht das Stadtviertel so lebendig.“

Ein altes, zerfallenes Kasernen-Gebäude. Davor eine schmale Straße und viel aufgewühlte Erde.
Vorher: Das ehemalige Stabsgebäude in der Johannes-Lepsius-Straße.
Ein saniertes Kasernen-Gebäude mit einer Straße davor und grünen Wiesen ringsherum.
Nachher: Das Gebäude wurde in den Jahren 2002/03 saniert. Es entstanden 54 Wohnungen.

Das grüne Herz des Bornstedter Felds

Hunderttausende Besucher*innen nutzen das ehemalige BUGA-Gelände jährlich für Spiel, Sport und Freizeit. 200 Jahre lang war das Areal ein Militärübungsplatz. Längst ist der Volkspark das „verlängerte Wohnzimmer“ der Anwohner*innen. Wo einst Soldaten den Krieg übten, spielen heute Kinder,
joggen Freizeitsportler*innen, picknicken Familien und sorgt das Gartenpersonal für eine wunderschöne Blütenpracht. Die ursprüngliche Nutzung wurde bei der Landschaftsgestaltung aufgegriffen, etwa durch die nachgebildeten Wallanlagen oder die Kunstwerke im Waldpark.

Der Park ist so vielseitig und bietet ausreichend Platz, auch für die gewachsene Nachbarschaft

Eine Frau mit blauer Bluse im Volkspark Potsdam. Hinter ihr sind die grünen Wiesen, Bäume und Hecken zu sehen.
Martina Armbruster, Volkspark Potsdam

„Der Park ist so vielseitig und bietet ausreichend Platz, auch für die gewachsene Nachbarschaft“, berichtet Martina Armbruster vom Volkspark Potsdam. In ihrer Funktion als Veranstaltungsmanagerin ist sie maßgeblich an der Programmgestaltung und Organisation vieler Events auf dem Gelände beteiligt, wie das Internationale Drachenfest, das Potsdamer Umweltfest und ebenso das Jubiläumsfest zum dreißigsten Geburtstag des Entwicklungsträgers Bornstedter Feld. Im Gegensatz zur Entwicklung des Quartiers, die in Kürze ihren Abschluss findet, wird der Volkspark jedoch nie „fertig“ sein. In Sachen Pflege und Instandhaltung gibt es immer etwas zu tun und auch die Angebote im Park ändern sich stetig. „In den vergangenen 20 Jahren sind allein elf neue Sporteinrichtungen dazugekommen, jüngst erst die neue Beachvolleyballanlage im Großen Wiesenpark“, erzählt Martina Armbruster.
 

Lernen in einmaliger Kulisse

Weiter in Richtung Innenstadt kommen wir zur Garde-Ulanen-Kaserne an der Jägerallee. Hier prägt gelber Klinker das Bild der früheren Reiterkaserne. Einer der jüngsten Nutzer des Areals ist das Gymnasium Bornstedt. Es ist seit einem Jahr neben dem OSZ in denkmalgeschützten Räumen angesiedelt – mitten in der Stadt und doch wie in einer kleinen Oase. 

„Ein Jahr lang haben mein Team und ich vorgearbeitet. Als dann die Schülerinnen und Schüler endlich da waren, war es etwas surreal“, berichtet Schulleiterin Dörte Schubert. In den früheren Stallgebäuden lernen seit dem vergangenen Sommer 84 Kinder in drei siebten Klassen. Im neuen Schuljahr kommen vier neue Klassen hinzu. Die Daltonpädagogik, ein Ansatz, der auf selbstorganisiertes Lernen setzt, ist ein wichtiger konzeptioneller Bestandteil der Schule und in Brandenburg bisher einzigartig.

Voraussichtlich zum Schuljahr 2027/28 soll die Schule an ihren neuen Standort an der Pappelallee ziehen. Dort, am Fuße des Ruinenbergs, entsteht ein Campus für 700 Schüler*innen und 60 Lehrkräfte samt Stadtteilzentrum und Sporthalle. Das Team wird aktiv an der Entwicklung des neuen Schulgebäudes beteiligt – eine einmalige Gelegenheit, den Prozess zu prägen.

Schulhaus und Konzept werden eine Einheit bilden, so Dörte Schubert. „Das wird richtig gut.“ Auch wenn das Flair in den alten Stallgebäuden der Ulanen-Kaserne doch ein ganz besonderes und der aktuelle Standort kein Provisorium sei, wie die Schulleiterin klarstellt: „Schließlich verbringen wir eine ganze Schülerkarriere hier. Wir machen es uns hier richtig schön“, sagt Dörte Schubert lächelnd.

Ein Mann sitzt auf einer Bank. Im Hintergrund ist ein großes ehemaliges Kasernen-Gebäude zu sehen.
Nachbar*innen in der Garde-Ulanen-Kaserne: Dörte Schubert und Christoph Miethke.

Einmalige Gelegenheiten nutzen

Richtig schön hat es sich gleich nebenan auch Christoph Miethke mit der nach ihm benannten Firma gemacht. In luftigen und freundlichen Räumen wird unter einem Dach geforscht und produziert. Miethke und seine Mitstreiter*innen haben sich einen Namen bei der Behandlung von Hydrocephalus gemacht. Bei dieser Erkrankung entsteht zu viel Hirnwasser im Kopf, das abgeleitet werden muss. Miethkes Unternehmen entwickelt innovative medizinische Implantate, die helfen, das Gleichgewicht wiederherzustellen. Seit 2003 gehen seine handgefertigten Spezialprodukte von den Garde-Ulanen-Kasernen aus in alle Welt.

Ich finde, dass das Bornstedter Feld heute den Charme von Potsdam mit ausmacht. Dafür brauchte es eine gestaltende Hand und ein aktives Ringen um die beste Entscheidung. Der Entwicklungsträger hat Beispiele gesetzt.“

Ein Mann sitzt auf einer Bank. Im Hintergrund ist ein großes ehemaliges Kasernen-Gebäude zu sehen.
Christoph Miethke, Unternehmer

Christoph Miethke gründete seine Firma zunächst in Berlin. Der Entwicklungsträger Bornstedter Feld machte ihn auf die Garde-Ulanen-Kaserne aufmerksam. „Sie war zu diesem Zeitpunkt eine Ruine“, erinnert sich der 63-Jährige. „Ich dachte, das Investitionsvolumen wäre für unser Unternehmen mit damals gerade einmal 18 Menschen viel zu groß. Doch das war eine historische Gelegenheit. Heute schätzen wir alle es sehr, so einen schönen zentralen Standort zu haben.“

Im Jahr 2016 eröffnete Miethke in der ehemaligen Reithalle in den Roten Kasernen eine weitere Produktionsstätte. Gerade entstehen auf dem Gelände zwei energieeffiziente Erweiterungsbauten. Im nächsten Jahr soll hier der Betrieb aufgenommen werden.

Der Gründer engagiert sich seit vielen Jahren auch ehrenamtlich für die Potsdamer Stadtgesellschaft. Er sieht Parallelen zwischen dem rasanten Wachstum seiner Firma und der dynamischen Entwicklung des Quartiers. „In den letzten drei Jahrzehnten hat sich hier sehr viel getan“, würdigt Christoph Miethke. „Über Architektur lässt sich streiten, aber ich finde, dass das Bornstedter Feld heute den Charme von Potsdam mit ausmacht. Dafür brauchte es eine gestaltende Hand und ein aktives Ringen um die beste Entscheidung. Der Entwicklungsträger hat Beispiele gesetzt.“

Das Bornstedter Feld - vorher und nachher

Den Stadtteil gefeiert

Hier endet unser Spaziergang durch den Potsdamer Norden. Vielfältig sind die Eindrücke, die wir gesammelt haben, ebenso wie die Menschen, die hier leben und arbeiten. Wo sonst in Potsdam konnte man in den vergangenen drei Jahrzehnten einem Stadtteil förmlich beim Wachsen zusehen? 

30 Jahre Entwicklungsmaßnahme Bornstedter Feld hat der gleichnamige Entwicklungsträger am 10. Juni mit einem großen Fest im Volkspark gefeiert – mit mehr als 8.200 Potsdamer*innen.

TEXT ANJA RÜTENIK/TORSTEN BLESS