Aus der EINSVIER: Was die Gesellschaft zusammenhält

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Zwei Männer, von denen einer Blumen und eine Urkunde hochhält, in dunklen Anzügen stehen vor einer Orchesterbühne im Zuschauergang und blicken in die Kamera

Was die Gesellschaft zusammenhält

EINSVIER sprach mit Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert über das Ehrenamt, dessen Wertschätzung, unbequeme Themen und den Potsdam Bonus.

Ehrenamtler*innen begegnen uns auf allen Wegen, sei es im Sport, in Bürgerhäusern, Kliniken, Schulen oder in sozialen Einrichtungen. Herr Schubert, gibt es überhaupt einen Bereich in der Stadt, der ohne ehrenamtliche Helfer*innen funktionieren würde?

Ehrlich gesagt, nein. Das Ehrenamt ist in vielen Organisationen und Institutionen mittlerweile sogar eine  tragende Säule. Nehmen wir als Beispiele die Feuerwehr oder den Katastrophenschutz. Beides wäre in ganz Deutschland ohne Ehrenamtler*innen gar nicht denkbar. Auch der Sport geht ohne Ehrenamt gar nicht, genauso die Politik. Egal, wo sie hinschauen: Das Ehrenamt hält unsere Gesellschaft zusammen, ist ihre Basis.

 

Mitunter wird über den Wert des Ehrenamtes gesprochen. Es gibt Berechnungen, welchen volkswirtschaftlichen Wert es hat. Ist das Schlichten von Streitigkeiten auf dem Schulhof weniger bedeutend als der Einsatz in Katastrophengebieten?

Mir persönlich fällt es schwer, hier mit Euro-Beträgen ranzugehen. Wenn wir über das Ehrenamt als gesellschaftlichen Kitt sprechen, dann lässt sich dies nicht an der Gefährlichkeit von Tätigkeiten, an einer Geldwertigkeit oder der Lautstärke des Beifalls bemessen. Natürlich geht es bei der Freiwilligen Feuerwehr manchmal um Leben und Tod. Aber denken wir an die Sportübungsleiterin, die Kindern nicht nur Freude an Bewegung vermittelt, sondern ihnen auch ein faires Miteinander in der Gruppe nahebringt. Jedes Ehrenamt leistet einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft.

Bringt man Ehrenamtler*innen genügend Wertschätzung entgegen?

Das Spannende an der Diskussion über Wertschätzung ist, dass Ehrenamtler*innen selbst sehr bescheiden sind.  Viele engagieren sich, um der Gesellschaft etwas zu geben oder auch zurückzugeben. Doch in der Tat haben wir lange gebraucht, um Ehrenamtler*innen zu danken. Mit der Verleihung des Potsdamer Ehrenamtspreises haben wir jedoch einen festen Termin im Jahr, sofern es die pandemische Lage zulässt, um Danke zu sagen.

Darauf kann man zählen

Ohne ehrenamtlich engagierte Menschen wäre die Welt weniger bunt.

Infografik zum Download
Bunte Infografik zum Thema Ehrenamt

Sie sagten, Ehrenamtler*innen geben der Gesellschaft etwas. Aber ist das nicht auch manchmal andersrum der Fall?

Ja, Ehrenamt kann auch der Anker des Einzelnen in die Gesellschaft sein. So manche*r übernimmt eine Aufgabe, der/die bis dahin gar keine Aufgabe hatte. Mit dem Ehrenamt holen wir auch Menschen zurück in die Gemeinschaft. Wir müssen als Stadt den Rahmen zur Verfügung stellen, sodass Ehrenämter möglich werden. Zum Beispiel, indem man Orte wie die Bürgerhäuser schafft und unterstützt.

 

Ehrenamtler*innen haben mitunter auch Themen, die für das Rathaus nicht immer bequem sind, vor allem wenn es um Stadtentwicklung oder Verkehrsfragen geht. Ändert sich die Sicht auf bestimmte Ehrenämter, wenn man Oberbürgermeister ist?

Nein, für mich ist Ehrenamt manchmal der sprichwörtliche Stachel im Fleisch. Das meine ich in einem positiven Sinne, sprich: Über Dinge nachzudenken, auch wenn man nicht derselben Meinung ist. In jedem Entwicklungsprozess gibt es Befürworter und Gegner, Zweifler genauso wie Fans. Wir merken das täglich, gerade wenn wir über die Innenstadt diskutieren, sei es der Kanal, die Garnisonkirche oder das Rechenzentrum. Es ist gut, dass es diese Diskussionen gibt, das ist Demokratie. Als Oberbürgermeister ist es meine Aufgabe, einen Interessenausgleich herzustellen. Das heißt ja nicht, dass ich über jede kritische Bemerkung jubele.

Porträt eines freundlich blickenden, sitzendes Mannes Ende 40 mit Brille in blauem Jacket vor grauem Hintergrund
Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert möchte Ehrenamtler*innen in Potsdam halten.

Wir sprachen bereits von der Wertschätzung des Ehrenamtes. Mit dem Potsdam Bonus sollen nun ehrenamtlich Tätige bei der Wohnungsvergabe besonders berücksichtig werden. Was ist die Idee dahinter?

Die Frage ist: „Wie gelingt es uns, Menschen, die hier leben, arbeiten und sich engagieren, auch in Potsdam zu halten?“ Wenn engagierte Bürger*innen eine andere Wohnung suchen, weil sich ihre Lebenssituation verändert, ist das aktuell schwierig. Wenn sie dann wegziehen müssen, verlieren wir nicht nur Einwohner*innen, sondern auch engagierte Ehrenamtler*innen. Das reißt jedes Mal große Löcher in die Gesellschaft, die wir uns nicht leisten können. Mit dem Potsdam Bonus wollen wir auf der einen Seite ein reales Problem angehen, den angespannten Wohnungsmarkt, auf der anderen Seite auch denjenigen, die schon in der Stadt leben und sich für sie engagieren, ein Stück Wertschätzung entgegenbringen.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Text Carsten Hagenau