Aus der EINSVIER: Freiwillige Retter

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Eine junge Frau in Feuerwehrausrüstung steht bei Nacht im Vordergrund, im Hintergrund ein Feuerwehrfahrzeug mit mehreren Feuerwehrmännern.

Freiwillige Retter

Brände löschen, Unfälle sichern, Katastrophenschutz: Die rund 350 Kameradinnen und Kameraden der Freiwilligen Wehren in Potsdam helfen ehrenamtlich neben ihrer alltäglichen Arbeit Menschen in Not. Eine von ihnen ist die 27-jährige ProPotsdam-Mitarbeiterin Marie-Luise Lampe.

Ohne sehr lange zu überlegen, fuhr Marie-Luise Lampe, Mitglied der Freiwilligen Wehr Potsdam Zentrum, Anfang August mit zwei Kameraden nach Rheinland-Pfalz, um bei den drängenden Aufräumarbeiten nach der Flutkatastrophe zu helfen. In dem kleinen Weindorf Rech im besonders schwer betroffenen Kreis Ahrweiler packte sie kräftig mit an, zerkleinerte mit ihrem Team leergepumpte Heizöltanks und schaffte sie aus den Kellern. Weitere Einsatzkräfte hatten zu diesem Zeitpunkt bereits weitestgehend Schutt und Schlamm beseitigt, die Häuser und Keller leergepumpt. Überall waren noch die Wasserkanten der meterhohen Fluten zu sehen, die durch den Ort gerauscht waren. „Der Ort war total zerstört. Die Straßen und viele Häuser waren kaputt. Es war erschreckend. Das Ausmaß begreift man erst im Nachhinein“, schildert Marie-Luise Lampe eindringlich ihre Eindrücke. Die Menschen vor Ort waren dankbar für die Unterstützung der Freiwilligen Feuerwehr. „Es war wirklich erstaunlich. Sie wussten unsere Hilfe zu schätzen und haben uns mit Wasser und Kaffee versorgt. Diese Dankbarkeit war sehr berührend.“

Eine mehrköpfige Feuerwehrmannschaft steht in der Dunkelheit vor einem Feuerwehrfahrzeug
Die Kameraden und Kameradinnen der Freiwilligen Feuerwehr Potsdam Zentrum unterstützen die Berufsfeuerwehr bei ihren Einsätzen. Neue Mitglieder sind immer gern gesehen.

In Rech waren Marie-Luise Lampe und ihre zwei Kameraden mehrere Tage vor Ort im Einsatz. Dafür wurde sie extra von ihrer Arbeit freigestellt: „Die Personalleitung und die Geschäftsführung der ProPotsdam waren sehr entgegenkommend. Das hat gut funktioniert. Diese Unterstützung und das Verständnis für mein Engagement geben mir extrem viel zurück.“ Im Gegensatz zur Berufsfeuerwehr sind freiwillige Kameradinnen und Kameraden wie die Potsdamerin ehrenamtlich neben ihrem normalen Beruf im Einsatz. Kommt ein Alarm rein, dürfen sie ihren Arbeitsplatz zwar verlassen. Dennoch sind sie dabei auf die Akzeptanz ihrer Arbeitgeber angewiesen.

Im Sommer 2017 begann sie mit ihrer Ausbildung bei der ProPotsdam. Mittlerweile arbeitet sie im Team des Volksparks. In die Freiwillige Feuerwehr Potsdam Zentrum ist Marie-Luise Lampe nur wenige Monate nach ihrem Umzug in die Landeshauptstadt eingetreten. Gemeinsam mit weiteren 20 Kameraden unterstützt sie seither die Berufsfeuerwehr in Potsdam bei ihren Aufgaben. Die Haupteinsatzorte seien im Umkreis des Hauptbahnhofes sowie in Babelsberg. „Unsere Einsätze sind meistens unterstützend. Wir bauen unter anderem die Wasserversorgung mit auf, gehen als weiterer Trupp mit der Atemschutzausrüstung in die Gebäude oder stehen als Sicherungstrupp bereit.“

Jeder Handgriff sitzt

Im Hauptbahnhof sind sie zum Beispiel zur Stelle, wenn eine Brandmeldeanlage losgeht, sei es in einem der vielen Restaurants, den Geschäften, den Büros oder der Tiefgarage. Auch das Sport- und Freizeitbad blu gehört zum Einsatzgebiet von Marie-Luise Lampe: „Wenn die Chlorgasanlage einen Fehler meldet, rücken wir aus.“ Chlorgas wird zum Reinigen des Wasser benötigt, kann jedoch schwere gesundheitliche Schäden verursachen. Damit im Ernstfall jeder Handgriff sitzt, führten die Feuerwehr und die Stadtwerke beispielweise einen speziellen Übungseinsatz durch, bei dem ein Vorfall mit Chlorgas simuliert wurde, inklusive Schutzanzügen und Statisten als Verletzte.

Neben der Berufsfeuerwehr fahren Marie-Luise Lampe und ihre Kameraden ebenso mit anderen Wehren, wie den Freiwilligen Feuerwehren in Drewitz und Babelsberg-Klein Glienicke zu Einsätzen: „Im Herbst wurden wir mit den Babelsbergern zu einer Baustelle gerufen, auf der es in einer Zwischendecke brannte. Diese mussten wir aufbrechen, um an die Glutnester zu kommen.“ Warum der Brand entstanden ist, zählt in dem Moment für die 27-Jährige nicht, einzig allein, wie man ihn löschen kann.

Glücklicherweise gibt es in Potsdam nur wenige Brände. Meistens sei angebranntes Essen Auslöser für einen Alarm. Doch manchmal muss ihr Team auch zu größeren Einsätzen ausrücken. Etwa als im Februar dieses Jahres im Tiefen See ein Schleppkahn, der ehemalige Eisbrecher „Professor Otto von Lidenbrock“, neben dem Theaterschiff havarierte. Der Kahn lief mit Wasser voll und drohte zu sinken: „Wir mussten zusammen mit den Kollegen der Berufsfeuerwehr das Schiff sichern und leerpumpen.“ Das Problem dabei: Die Ursache für das Leck konnte zunächst nicht ausgemacht werden. Die Lage spitzte sich zu, als man bemerkte, dass Öl aus dem Schiff austrat. Eine Ölsperre wurde ausgelegt und eine Spezialfirma pumpte das verunreinigte Wasser schließlich aus dem Innern des Schiffes. „Das hat alles sehr lange gedauert und wir waren mit vielen Einsatzkräften vor Ort“, erinnert sich die Feuerwehrfrau. Ursache des Wassereinbruches im einstigen Eisbrecher war nach Angaben der Feuerwehr ein geplatztes Ventil.

Mir gefällt so vieles an der Freiwilligen Feuerwehr. Vor allem die Kameradschaft. Das ist ein ganz besonderes Gefühl.

Junge Feuerwehrfrau steht im Innern einer Feuerwehrwache zwischen den Einsatzfahrzeugen
Marie-Luise Lampe, Kameradin, Freiwilligen Feuerwehr Potsdam Zentrum
Eine Feuerwehrfrau und ein Feuerwehrmann stehen vor einem Feuerwehrfahrzeug bei dem weitere Feuerwehrleute tätig sind
Marie-Luise Lampe und ihr Team führen regelmäßig Einsatzübungen durch. Leiter der Einheit ist Julian Weise.

Kameradschaft von Anfang an

Eher zufällig wurde Marie-Luise Lampe mit 10 Jahren Mitglied der Jugendfeuerwehr ihrer Heimat Jütrichau, einem Ortsteil der Stadt Zerbst in Sachsen-Anhalt. „Dass ich in die Freiwillige Feuerwehr eingetreten bin, lag an meiner damaligen Kindergartenfreundin. Ihr Papa war gerade Jugendwart geworden und hat uns beide animiert, mitzumachen“, erinnert sie sich. Heute könne sie sich nicht mehr vorstellen, kein Mitglied zu sein: „Mir gefällt so vieles an der Freiwilligen Feuerwehr. Vor allem die Kameradschaft. Das ist ein ganz besonderes Gefühl.“ Das Team hält stets zusammen. Jeder kann sich auf den anderen verlassen, schwierige Aufgaben werden gemeinsam bewältigt. Einmal die Woche ist Übung. Dann fährt das Team zum Beispiel raus an den Heiligen See zu einem der Hydranten der Stadt und trainiert das Löschen. „Meistens machen wir zwei Durchgänge und tauschen die Funktionen, damit jeder die Abläufe an den verschiedenen Positionen kennt.“ Neben den regelmäßigen Übungen treffen sich Lampe und ihre Kameradinnen und Kameraden auch zum Grillen oder unternehmen etwas zusammen. Doch nicht nur die Kameradschaft gefällt ihr: „Es tut mir gut, mich als Ausgleich zur Büroarbeit körperlich zu betätigen.“

Wie die Potsdamerin fangen viele Mitglieder bereits in jungen Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr an. In der Landeshauptstadt engagieren sich aktuell rund 150 Kinder und Jugendliche in den Jugendwehren, wie Feuerwehr-Chef Ralf Krawinkel erklärt. Die jungen Einsatzkräfte werden direkt in den Ortswehren betreut. Eintreten können die Kinder ab 10 Jahren, aktiv an Einsätzen teilnehmen ab 16 Jahren. Die jungen Nachwuchskameraden lernen spielend, wie man Brände und Gefahrensituationen verhindert und sich dabei entsprechend verhält. Die Kinder und Jugendlichen würden dabei auch lernen, sich gesellschaftlich zu engagieren, zu helfen, aber auch selbst zu erfahren, wie es ist, Hilfe und Unterstützung durch ein Team zu bekommen, betont Krawinkel.

Junge Feuerwehrfrau steht im Innern einer Feuerwehrwache zwischen den Einsatzfahrzeugen
Marie-Luise Lampe in der Potsdamer Feuerwache in der Holzmarktstraße.

Wie wichtig diese Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen ist, weiß Marie-Luise Lampe aus eigener Erfahrung. In ihrer Wehr ist sie die stellvertretende Jugendwehrleiterin und betreut rund 15 junge Menschen. „Alle sagen, dass sie später zur Berufsfeuerwehr möchten. Es ist schön, dass wir einen wichtigen Beitrag bei der Nachwuchsförderung leisten können“, sagt sie stolz. Die Übungen mit den Jugendlichen gestalte sie zusammen mit ihrem Freund, Kameraden und Jugendwart Sanny Gill immer ganz unterschiedlich, damit keine Langeweile aufkomme. Da gebe es auch mal den ein oder anderen Spiel- und Spaßdienst, etwa in der Fitness- oder Sporthalle. „Wir versuchen sie langsam an die Dienstvorschriften heranzuführen, damit sie die Begriffe kennen und die Grundgriffe beherrschen.“

Immer griff bereit

Um für den Ernstfall auch mitten in der Nacht gewappnet zu sein, hat die Potsdamerin zu Hause in einer Schublade die nötigsten Klamotten griffbereit zusammengepackt, wie etwa Socken und ein frisches T-Shirt. Benachrichtigt wird sie über einen speziellen Melder. Wie die anderen Freiwilligen Kameradinnen und Kameraden ist sie vor allem erst nach ihrem Job für die Feuerwehr aktiv. Außer es gibt einen Großeinsatz, dann lässt sie ihre Arbeit liegen und fährt sofort los – jedoch mit der Gewissheit, dass ihr Team und die Abteilungsleitung bei der ProPotsdam hinter ihr stehen und ihr den Rücken freihalten. Alle Freiwilligen Wehren Potsdams suchen immer nach neuen Mitgliedern, die auch die Zeit am Tage abdecken können. „Wir freuen uns über jeden, der sich für uns interessiert und bereit ist, mitzumachen. Wir haben auch viel zu bieten. Etwa interessante Lehrgänge und durch die Zusammenarbeit mit der Berufsfeuerwehr können wir auch mit der Sondertechnik üben“, sagt Marie-Luise Lampe.

Auch wenn die Männer und Frauen in den Freiwilligen Wehren ehrenamtlich arbeiten, müssen sie fit sein und eine bestimmte Anzahl an Praxisstunden pro Jahr nachweisen. Mindestens 40 Stunden an Ausbildungszeiten, Einsätzen oder Lehrgängen sind Pflicht. Der ProPotsdam-Mitarbeiterin machen vor allem die Lehrgänge besonders Spaß. Neben der Grundausbildung hat sie bereits einen Sprechfunk-, einen Atemschutzgeräte- sowie den Gefahrengutlehrgang absolviert. Auch in Zukunft möchte sie sich bei der Freiwilligen Feuerwehr weiterbilden. Als nächstes Ziel strebt sie den Rang Truppführer an. Damit wäre sie während eines Einsatzes verantwortlich für einen ihrer Trupppartner. Vorher möchte sie allerdings noch ein bisschen mehr Erfahrungen sammeln: „Ich finde, es ist eine sehr pflichtbewusste Aufgabe, die Verantwortung für andere Kameraden und Kameradinnen zu übernehmen.“

TEXT SARAH STOFFERS