Der Park des 21. Jahrhunderts
Am 20. April 2001 öffnete die Bundesgartenschau in Potsdam ihre Tore. An die Ausrichtung der Blumenschau waren hohe Erwartungen geknüpft, für das Image der Stadt im Ganzen und die Entwicklung des Bornstedter Feldes im Einzelnen. Herzstück der Ausstellung war der heutige Volkspark. EINSVIER-Redakteurin Carolin Brüstel blickt zurück auf ein weites sandiges Feld, das ein grüner Stadtteil werden sollte.
Potsdam, kurz nach der Wende.
Die Stadt möchte wachsen, sich weiterentwickeln, nicht zuletzt auch um sich als noch junge Landeshauptstadt im vereinigten Deutschland behaupten zu können. Die Aufmerksamkeit der Stadtplaner richtet sich gen Norden. Hier bietet eine riesige, bislang militärisch genutzte Fläche genug Platz für einen neuen Stadtteil: 8.000 Wohnungen könnten entstehen, 15.000 Menschen ein neues Zuhause finden und 5.000 einen Arbeitsplatz: Das Bornstedter Feld, 300 Hektar weit, verwüstet durch die fast 250 Jahre andauernde militärische Nutzung durch verschiedene Armeen und geprägt von deren Hinterlassenschaften. Ende 1991 beschließen die Stadtverordneten den Entwicklungsplan für das Bornstedter Feld. Der gleichnamige Entwicklungsträger übernimmt als Treuhänder der Stadt die dazu notwendigen Planungen, die Beseitigung der ungezählten Altlasten, die Arbeiten zur Erschließung des Geländes und zur verkehrstechnischen Anbindung des Potsdamer Nordens.
Nach Abschluss der Entwicklung soll das Areal nach Vorstellung der Stadtverordneten ein urbaner Kiez sein, mit Eigenheimen, Stadtvillen, Mietshäusern und Wohnformen für Studierende und Senioren, mit Schulen und Kitas, Einkaufsmöglichkeiten, angeschlossen an den städtischen Nahverkehr. Die für den Ort typischen Kasernen-Gebäude, darunter denkmalgeschützte Anlagen aus dem 19. Jahrhundert, möchte man erhalten, sanieren und durch kompakte neue Wohngebäude ergänzen. Ebenfalls in den Entwicklungszielen definiert ist ein „durchgehender Grünzug“ als Verknüpfung königlicher Gartenanlagen mit der Feldflurlandschaft.
Motor für die Entwicklung des weiten Feldes soll die Bundesgartenschau 2001 sein. Mit der Bewerbung Mitte der Neunziger Jahre möchte die Stadt die Chance ergreifen, „zentrale Stadtentwicklungsmaßnahmen innerhalb von nur sechs Jahren zu lösen oder ihre Bewältigung zumindest entscheidend voranzubringen“, heißt es dazu in den Bewerbungsunterlagen, eingereicht durch die Stadt Potsdam und den Entwicklungsträger. Das gewählte Motto: „Gartenkunst zwischen gestern und morgen“.
Das Hauptgelände der BUGA wird im Bornstedter Feld liegen: Ein Park des 21. Jahrhunderts soll entstehen, der den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger mit Angeboten für Freizeit, Erholung, Spiel und Sport entgegenkommen soll. Als einzigartig soll er sich in die historische Parklandschaft der Stadt einfügen, zugleich mit ihnen eine neue Harmonie bilden. Eine mehr als anspruchsvolle Aufgabe.
Im internationalen Wettbewerb zur Gestaltung der Anlage begeistert die Idee des renommierten Büros Latz+Partner aus München. „Dieser Wettbewerbsbeitrag überzeugte damals in drei Punkten“, weiß Bert Nicke, Geschäftsführer des Entwicklungsträgers Bornstedter Feld. „Als einziges Planungsbüro schlugen sie vor, die – mittlerweile für den Volkspark typischen – Wälle als Relikte der militärischen Nutzung zu erschaffen.“
Eine Orangerie für das Bornstedter Feld
Der zweite Punkt: „Wie Latz+Partner bemerkten, hat jeder Park in Potsdam ein besonderes Gebäude. Sanssouci und der Park Babelsberg haben ihre Schlösser und der Neue Garten das Marmorpalais“, erklärt Nicke: „Aus diesem Grund wurde die Biosphäre errichtet, in Anlehnung an die Orangerie in Sanssouci.“ Als dritte Idee wollte das Planungsbüro eine große Fläche freihalten, die Weite vermittelt in dem doch recht kleinteiligen Park. Diese Fläche ist der Große Wiesenpark.
Für mich war die BUGA eine der prägendsten Veranstaltungen in der jüngeren Geschichte der Stadt.
Nach mehr als fünf Jahren Bauzeit werden Park und BUGA im April 2001 feierlich eröffnet. Potsdams Bürgermeister ist zu dieser Zeit Matthias Platzeck. „Mitte April war der Winter nochmal zurückgekehrt, es war bitterkalt und die Gärtner waren verzweifelt“, erinnert er sich. „Günther Jauch, der die Eröffnung moderierte, zeigte dem Publikum zur allgemeinen Erheiterung seine langen Unterhosen.“ Nach einem verregneten ersten Wochenende wurde die Schau dann doch ein großer Erfolg und zog bis Anfang Oktober 2,6 Millionen Menschen an. Doch während die BUGA den Park zum Erblühen brachte, glich das Areal am Rand eher einer märkischen Sandwüste. Von einem Stadtteil war noch nicht viel zu sehen.
Die Erfolgsgeschichte
Die Bewirtschaftung der Anlage übernimmt 2003 der Entwicklungsträger, man entscheidet sich für einen Parkeintritt und ambitionierte Ziele: eine intensive Pflege des Parks, die Schaffung neuer Angebote und Attraktionen, die Gewinnung von Kooperationspartnern, die Verbesserung des Services sowie Etablierung des Parks als neuer Open-Air-Veranstaltungsort. Und man hat Erfolg mit dieser Strategie, bestätigt Horst Müller-Zinsius, ehemaliger Geschäftsführer der ProPotsdam sowie des Entwicklungsträgers Bornstedter Feld, der seit 2006 zum Unternehmensverbund der ProPotsdam gehört. 400.000 Gäste zählte der Park in 2019, doppelt so viele wie im ersten Jahr nach der Eröffnung. „Die Beliebtheit und der Zuspruch für den Park sind auch heute noch ungebrochen“, bemerkt Müller-Zinsius. „Das gilt für den einfachen Aufenthalt wie Spazierengehen oder ein Besuch der Spielplätze, für sportliche Betätigungen und auch die kleinen und großen Veranstaltungen.“
Zuspruch erhält der Park auch in der Umfrage, die der Entwicklungsträger unter den Einwohnern des Bornstedter Feldes 2020 durchgeführt hat. 94 Prozent der Befragten halten ihn für wichtig oder gar unverzichtbar. Sieben von zehn Bornstedtern sind wöchentlich oder häufiger im Park unterwegs für die eigene Erholung und Freizeitaktivitäten. Rund die Hälfte nutzt den Volkspark regelmäßig als Open-Air-Fitnessstudio. Selbst Profisportler wie Triathletin Laura Lindemann schätzen das weite Feld für ihr Training: „Ich muss viele Laufkilometer absolvieren. Bei langen und ruhigen Läufen sind das zwischen zehn und 20 Kilometern“, erzählt die vierfache Deutsche Meisterin und Olympiateilnehmerin. „Dann laufe ich gern von zu Hause in Potsdam-West los, über Sanssouci durch den Volkspark und in die Feldflur.“
Auch die Veranstaltungen tragen zur Beliebtheit des Parks bei und sind mittlerweile eine feste Größe in der Stadt. Events wie die Potsdamer Feuerwerkersinfonie, das Internationale Drachenfest, das Umweltfest, aber auch Märkte wie der Kinderflohmarkt am Wasserspielplatz sind stadtweit bekannt. „Der Park ist, wie der Entwicklungsbereich Bornstedter Feld, eine Erfolgsgeschichte“, urteilt Müller-Zinsius, „und dies nicht zuletzt dank des großen Engagements der mit der Parkbewirtschaftung betrauten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“ Zu diesem Urteil kommt ebenso die Deutsche Bundesgartenschau-Gesellschaft (DBG) und zeichnet den Volkspark 2014 mit dem Ehrenpreis für nachhaltige Parkbewirtschaftung aus.
Ohne Sorge
Über die Jahre zieht der Park nicht nur neue Besucher, sondern ebenso potenzielle Zuzügler für den neuen Stadtteil im Norden an. „Die Existenz und der gute Pflegezustand des Parks waren ein wichtiges, verkaufsunterstützendes Argument beim Verkauf der Grundstücke im Entwicklungsbereich“, bemerkt Müller-Zinsius. „Denn, man glaubt es heute kaum noch, im ersten Jahrzehnt nach der BUGA war es schwierig, im Bornstedter Feld überhaupt Baugrundstücke zu verkaufen. Auch dies gehörte zu den Aufgaben des Entwicklungsträgers und war dringend notwendig, um mit den Erlösen die Infrastruktur von Straße bis Kita und Schule zu bezahlen.“
So war der Volkspark mit seinen Angeboten ein Pluspunkt bei Kaufinteressenten, wie zum Beispiel bei Familie Michalek. „Wir kennen und besuchen den Volkspark bereits seit vielen Jahren.
Für uns war der Park ein Grund für den Umzug von Potsdam-West ins Bornstedter Feld“, erzählt Friedericke Michalek und ist damit nicht allein, wie die Einwohnerumfrage des Entwicklungsträgers bestätigt. Die Nähe zu grünen Orten wie dem Volkspark und der Lennéschen Feldflur zählt zu den am häufigsten genannten Gründen, die für das Bornstedter Feld als neues Zuhause sprechen.
Mit ihrer Familie ist Friedericke Michalek oft im Park unterwegs, um im Pyramidengarten Verstecken zu spielen, zum Inlineskating oder einfach nur, um auf den Wällen herumzutollen. „Hier im Park fühlen sich unsere Söhne frei, hier können sie sich ungezwungen, sorglos bewegen, können tun, was sie wollen“, freut sie sich.
Matthias Platzeck schaut zurück auf die großen Erwartungen an die Gartenschau. „Für mich war die BUGA eine der prägendsten Veranstaltungen in der jüngeren Geschichte der Stadt“, schätzt er ein. „Potsdam erfreut sich heute großer Beliebtheit, ist eine Stadt mit einer hohen Lebensqualität und zählt im bundesweiten Vergleich als besonders familienfreundlich“, resümiert Brandenburgs ehemaliger Ministerpräsident. „Für diese gute Entwicklung war die BUGA 2001 gewissermaßen der Auftakt, sie hat seinerzeit in der gesamten Stadt wichtige Impulse gesetzt.“